Nuri Sahin steht vor dem Aus als Trainer von Borussia Dortmund
Nuri Sahin steht vor der Entlassung als Trainer von Borussia Dortmund nach einer enttäuschenden Niederlage gegen FC Bologna. Die Probleme des Vereins scheinen jedoch tiefer zu liegen.
Am Ende brach sich der Frust dann doch Bahn, zumindest bei einem. Völlig übermotiviert checkte Julian Ryerson in der 90. Minute seinen italienischen Gegenspieler an der eigenen Eckfahne um. So ungeschickt und überflüssig die Aktion des Norwegers war, zumindest brachte sie ein wenig Leben in das Spiel seiner Mannschaft, die sich zuvor über fast ein ganzes Spiel erschreckend blutleer und leblos präsentiert hatte.
Die 1:2 verlorene Partie beim FC Bologna war ein Offenbarungseid für Borussia Dortmund. So viel stand an diesem Dienstagabend auf dem Spiel: Für Trainer Nuri Sahin war es ein Finale um seinen Job, für den Verein die Riesenchance auf eine hervorragende Ausgangslage in der Champions League vor dem letzten Spieltag der Ligaphase, gleichzeitig im Wohlfühl-Wettbewerb die Möglichkeit auf einen zumindest kurzfristigen Stimmungsaufschwung im ganzen Verein. Und doch legte die Mannschaft des BVB einen Auftritt hin, der so dermaßen uninspiriert und kampfbefreit war, dass die Ansage von Nico Schlotterbeck am Montag, die Spieler seien "in der Bringschuld", zum leeren Bekenntnis wurde.
Für den Coach, der erst im vergangenen Sommer zum Chef befördert wurde, war es aller Voraussicht nach das letzte Spiel als Trainer von Borussia Dortmund. Nach der vierten Niederlage im neuen Jahr spricht alles dafür, dass am Mittwoch die Entscheidung der Verantwortlichen um Sport-Geschäftsführer Lars Ricken fällt, dass es in dieser Konstellation nicht mehr weitergeht. Der große Kredit vom Antritt vor etwas mehr als einem halben Jahr ist aufgebraucht.
Die Probleme werden bleiben. Der nächste Trainerwechsel, der neunte seit Ende der Ära Jürgen Klopp im Sommer 2015, wird den Verein nicht einfach wieder in die richtige Spur bringen, zu oft schon hat dieses Mittel in den vergangenen Jahren nicht gegriffen. "Wenn das alle Probleme löst, alle Nebenschauplätze löst, dann ist das überhaupt kein Problem", deutete Sahin selbst nach der PK an. Er sei für die sportlichen Leistungen verantwortlich, betonte er. Auch er hat Fehler gemacht.
Doch die Missstände im Verein gehen viel tiefer: Grabenkämpfe und gescheiterte Kaderplanung, der von Fast-Erfolgen in der Meisterschaft 2023 und in der Champions League 2024 vernebelte Blick, dass der BVB seit einiger Zeit an Bedeutung und Qualität verliert.
Das Ergebnis war auch am Dienstag zu sehen. Statt mit einer beherzten Leistung für den Verbleib des doch so beliebten Trainers zu votieren, ließ das Team das Geschehen in Bologna widerstandslos über sich ergehen. Dabei lief das Spiel aus Dortmunder Sicht eigentlich perfekt. Der Führungstreffer von Serhou Guirassy durch einen sehr weichen Elfmeter in der Anfangsphase hätte der Mannschaft wieder mehr Sicherheit geben können. Doch das Gegenteil geschah: Dortmund zog sich zurück, nur Bologna machte das Spiel.
Der Doppelschlag der beiden Joker Mitte der zweiten Halbzeit war dann nur die logische Konsequenz aller Missstände, der fehlenden Entlastung, der vielen langen Bälle, der mangelhaften Gegenwehr in den Zweikämpfen. Und danach? Es kam kein echtes Aufbäumen, es gab keine weitere Dortmunder Torchance und nie das Gefühl, dass hier ein Team für den Trainer kämpft - nur Lethargie, Verzweiflung und Hilflosigkeit.
Es bleibt die Frage, wie schnell ein neuer Coach das aufbrechen kann. Kurzfristig mag eine neue Ansprache, ein neuer Impuls, ein neuer Ton helfen, mittelfristig aber muss viel mehr passieren im Verein als nur der Austausch des schwächsten Gliedes der langen Fehlerkette.